Die Unterzeichnung des EU-Beitrittsvertrags am 24. Juni 1994 in Korfu durch den ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky. © Europäische Kommission, Audiovisual Services

EU-Beitritt Österreichs

In den 1980er Jahren ist in Österreich die Diskussion über einen EG-Beitritt zum zentralen politischen Thema geworden. Davor herrschte jahrzehntelang unter Politiker*innen und Rechtsexpert*innen ein Konsens, dass eine EG-Mitgliedschaft aus außenpolitischen und neutralitätsrechtlichen Gründen unmöglich sei. Mit dem Beitritt zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 wurde das für unmöglich Gehaltene möglich. Eine klare Mehrheit der Österreicher*innen votierte im Juni 1994 in einer Volksabstimmung für die EU-Mitgliedschaft.

Die Verhandlungen über den EU-Beitritt wurden ab 1993 geführt, 1994 abgeschlossen und mit Beginn des Jahres 1995 rechtsgültig. Der Kreis, der bis dato 12 EU-Staaten wurde auf 15 Mitgliedsländer erweitert. Weitere Beitrittskandidaten waren Schweden, Finnland und Norwegen. Die Norweger*innen lehnten jedoch einen EU-Beitritt zum zweiten Mal nach 1972 ab und traten der EU nicht bei.

Von der österreichischen Öffentlichkeit und den Politiker*innen der amtierenden SPÖ/ÖVP-Koalition wurde – trotz unterschiedlicher Auffassungen im Zuge der Beitrittsverhandlungen – der EU-Beitritt als wichtigstes politisches Ereignis seit dem österreichischen Staatsvertrag bewertet. Aber nicht alle stimmten in den Chor der EU-Befürworter*innen mit ein. Die FPÖ versuchte die Gegenstimmen der Volksabstimmung auf ihr Konto zu verbuchen. Die anti-europäische Stimmungsmache der Rechtspopulisten, die gegen den Bürokratismus der „Brüsseler Spitzen“, gegen Butterberge und gegen den vermeintlichen Identitätsverlust Österreichs zu Felde zog, versuchte den österreichischen Provinzialismus für sich zu nutzen. Ohne kurzfristigen Erfolg zwar, aber die tiefsitzenden Reflexe bei Teilen der Bevölkerung gegen alles, was aus dem „Ausland“, auch aus der EU, kommt, wurden erneut aktiviert.

Auch die Grünen, die unmittelbar nach der erfolgreichen Volksabstimmung ihre Meinung zur EU-Mitgliedschaft Österreichs änderten, und andere Gruppen links der politischen Mitte sprachen sich gegen eine Teilnahme an der Europäischen Union aus. Als Gründe dafür nannten sie, dass die Union lediglich auf die Schaffung eines Wirtschaftsmarktes ausgerichtet und ihre demokratiepolitische Weiterentwicklung nicht deutlich sei bzw. dass sie sich durch eine gemeinsame, restriktive Asyl- und Migrationspolitik gegenüber den armen Teilen der Welt abschotte.

Nach dem EU-Beitritt 1995 hat sich für Österreich viel geändert. Das Land nimmt an der Wirtschafts- und Währungsunion teil, der Schilling wurde vom Euro abgelöst. Österreich übernimmt Funktionen in der Europäischen Union und beteiligt sich an der Diskussion über eine Reform der EU und ihrer Institutionen. Durch die EU-Erweiterung 2004 sind u.a. seine Nachbarn Ungarn, die Tschechische Republik, Slowenien und die Slowakei zu Mitgliedern der Europäischen Union geworden.

Von den Parlamentsparteien wird Österreichs Mitgliedschaft in der Europäischen Union mittlerweile durchaus positiv gesehen und prinzipiell nicht in Frage gestellt. Eine Ausnahme bildet hierbei lediglich die FPÖ, die die EU-Mitgliedschaft Österreichs immer wieder zum Thema ihrer populistischen Politik macht – so etwa auch in einem Volksbegehren Anfang 2006. Die seit Herbst 2013 im österreichischen Nationalrat vertretene Partei „NEOS – Neues Österreich“ ist laut Parteiprogramm explizit pro-europäisch. Sie spricht sich für eine EU-Verfassung aus und plädiert für eine Stärkung der direkten Mitbestimmungsmöglichkeiten der Unionsbürger*innen sowie die Verwirklichung einer europäischen Staatsbürgerschaft im Europäischen Bundesstaat, der als Vision für Europa umschrieben wird.

Die Österreicher*innen selbst zählen zu den EU-kritischen Bevölkerungen der Union, was auch regelmäßige Eurobarometer- sowie andere Umfragen zeigen, wenn gleich sich bei näherer Betrachtung ein differenziertes Bild ausfindig machen lässt: so hält eine relative Mehrheit der Österreicher*innen die Mitgliedschaft in der EU für wichtig, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Gleichzeitig sehen nur 50 % die Zukunft der EU optimistisch (Standard Eurobarometer 85), während in Irland beispielsweise 77 % der Bevölkerung die Zukunft der EU optimistisch beurteilen. Eine Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik zeigt auf, dass ein Großteil der Österreicher*innen für einen Verbleib Österreichs in der EU sind, wobei 75 % dafür stimmten. Dabei war der Wert von 8 % der Leute, welche sich für einen Austritt entschieden, im Jahr 2019 sogar so tief wie nie zuvor.

Laut Eurobarometer fühlten sich im Sommer 2020 70 % der Österreicher*innen als Bürger*innen der EU während 29 % dies verneinen würden. Gleichzeitig meinen 51 % der Bevölkerung, dass ihre Stimme auf EU-Ebene zählen würde. Österreich liegt damit im oberen Mittelfeld – vor allem in den „krisengebeutelten“ Ländern Griechenland, Spanien und Italien sind die Bürger*innen der Meinung, dass ihre Stimme in der EU nichts zählen würde. Auf globaler Ebene beurteilen die Österreicher*innen die Rolle der EU positiver: 68 % der Befragten meinen, die Stimme der EU zähle in der Welt.

Ähnlich wie in den meisten anderen EU-Ländern, betrachten die Österreicher*innen soziale Ungleichheit als derzeit größte Herausforderungen, denen die EU gegenübersteht.

(Last Update: 05/2021)

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Bildanalyse des Logos der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft 2006

Zu sehen ist das Logo der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft von 2006

Nur mehr das Länderkürzel „.at“ erinnert unterhalb des Barcodes an die nationale Konnotation. Der niederländische Designer und Architekt Rem Koolhaas und sein Team in der Denkfabrik AMO haben diese Visualisierung Europas, die ursprünglich 15 Nationalfarben enthielt und 2004 auf 25 erweitert wurde, bereits 2001 zu entwickeln begonnen. Während in den bisherigen 262 EU-Ratslogos „das Europäische“ mit den 12 fixen Sternen der europäischen Flagge symbolisiert wurde, ist diese moderne und bisher nicht offiziell gebrauchte Visualisierung Europas ständig erweiterbar.

In der Rezeption dieser Visualisierung von Kohlhaas wird aber auch die Stärke der nationalen Identitäten symbolisiert – etwas was der politischen Zielsetzung der gegenwärtigen Bundesregierung in Österreich durchaus entspricht und letztlich an De Gaulles „Europa der Vaterländer“ aus den 1960er Jahren erinnert.

In diesem Sinn wird dieses Logo auch gelesen – seine symbolische Aussage lautet: „Europa ist Buntheit und Vielfalt“. Supranationalität strahlt dieser symbolische Zugang zum „Europäischen“ nicht aus.

In der Umsetzung ist allerdings dann doch ein „Schönheitsfehler“ passiert, da die Farben der Flagge von Estland in der falschen Reihenfolge (schwarz – blau – weiß statt blau – schwarz – weiß) konzipiert wurden. Der Fehler führte nur zu unbedeutenden diplomatischen Wendungen, wobei nach österreichischer Sprachregelung der Künstler „schuld“ war. Tatsächlich ist aber in der Europa-Flagge des AMO-Büros in Rotterdam die Reihenfolge noch richtig. Bemerkenswert an dieser eher skurrilen Debatte ist, dass scheinbar der europäische Barcode letztlich doch mehr Gemeinsames ausdrückt als nur eine Aneinanderreihung der Nationalfarben.

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