Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung

Projektbeschreibung

Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung wurden vom Demokratiezentrum Wien insgesamt 28 Stundenplanungen erstellt. Inhaltlich stellt der Grundsatzerlass „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ den zentralen Referenzrahmen für die Gestaltung der Lern- und Unterrichtsmaterialien dar. Von diesen Stundenplanungen wurden 12 für die Primarstufe und 16 für die Sekundarstufe I gestaltet.

Bei der Erstellung und Finalisierung einzelner Stundenbilder wurden externe wissenschaftliche Expert*innen zur Begutachtung herangezogen und eine Pilotierung der Unterrichtsbeispiele mit Feedbackschleife durchgeführt.

Grundsatzerlass „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“

Der Erlass des Bildungsministeriums aus dem Jahr 2018 bietet einen Orientierungsrahmen, wie das übergreifende Thema „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ in den verschiedenen Handlungsebenen des schulischen Lehrens und Lernens behandelt werden kann. Die Auseinandersetzng mit diesem Thema soll dazu beitragen, einen professionellen und reflektierten Umgang mit der Dimension des Geschlechts in der von heterogenen Lebenswelten geprägten Schule zu entwickeln, auf Grundlage des verfassungsmäßig verankerten Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsauftrags. Es erinnert staatliche Einrichtungen an ihre Verpflichtung, durch geeignete Maßnahmen die Gleichstellung der Geschlechter im Bildungsbereich zu fördern, was unter anderem durch den Abbau von kulturell tradierten Geschlechterstereotypen und patriarchalen Rollenzuweisungen geschehen soll. Öffentliche Schulen sollen demnach für Kinder und Jugendliche die Möglichkeit bieten, sich innerhalb eines neutralen Rahmens über alle Facetten von patriarchalen Rollennormierungen und geschlechterbezogenen Ungleichbehandlungen auszutauschen.

Weitere Informationen über den Grundsatzerlass finden Sie hier.

Informationen zur Verwendung der Unterrichtsbeispiele

  • Die Unterrichtsbeispiele bieten sich aufgrund ihrer fachlichen Nähe besonders für Unterrichtsgegenstände wie „Deutsch“, „Geschichte, Sozialkunde und  Politische Bildung“ oder „Geographie und Wirtschaftskunde“ sowie den Sachunterricht an. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Verwendung der Stundenbilder auf diese Unterrichtsfächer begrenzt ist; sie können in allen Fächern bzw. auch für fächerübergreifenden Unterricht herangezogen werden.
  • Bei der Verwendung der Unterrichtsbeispiele dürfen und sollen die Lehrpersonen die Stundenplanungen an die Bedürfnisse und Kenntnisse ihrer Schüler*innen anpassen.
  • Die Thematik „Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung“ wurde in den neuen Lehrplänen für die Volksschulen, Mittelschulen und allgemeinbildenden höheren Schulen (Sekundarstufe I) als übergreifendes Thema im Allgemeinen Teil des Lehrplans mit Kompetenzzielen für die 4. und 8. Schulstufe definiert. Hier finden Sie die Verordnung des BMBWF über die Lehrpläne, hier weitere Informationen zu Gleichstellung und Diversität.

 

Begriffserklärungen

Geschlecht

Der Begriff „Geschlecht“ unterlag historisch vielen Diskussionen und Deutungswandlungen, weswegen eine allgemein anerkannte „neutrale“ Definition schwierig erscheint. Die gängige Definition wandte sich mehr und mehr von der Annahme der Binarität der Geschlechter (weiblich und männlich) ab und entkoppelte die Bedeutung körperlicher bzw. anatomischer Merkmale vom Geschlecht. In der aktuellen Frauen- und Geschlechterforschung liegt der Fokus dabei vermehrt auf der Lösung von Normvorstellungen, wodurch die automatische Zuschreibung von Geschlechterrollen (z.B. „Mädchen spielen lieber mit Puppen, während Buben sich mehr für Spielzeugautos interessieren“) kritisch hinterfragt werden muss.

Wie man an der Definition des medizinischen Wörterbuchs Pschyrembel Online sehen kann, wird der Begriff „Geschlecht“ auch in dieser wissenschaftlichen Fachrichtung nicht nur an körperliche Merkmale gekoppelt, sondern viel weitreichender definiert. Dabei wird der Terminus in vier Unterkategorien unterteilt:

  • somatisches (bzw. biologisches) Geschlecht: diese Kategorie setzt sich aus der Summe körperlicher Merkmale mit eindeutig männlicher bzw. weiblicher Ausprägung zusammen. Hierunter fällt das chromosomale Geschlecht, das gonadale Geschlecht, das genoduktale Geschlecht und das genitale Geschlecht.
  • psychisches Geschlecht: das psychische Geschlecht bildet sich aus dem subjektiven und  körperlich nicht messbaren empfundenen Geschlecht sowie aus dem zerebralem Geschlecht, das sich aus neurophysiologischen Merkmalen ergibt.
  • soziales Geschlecht: das soziale Geschlecht ist laut Pschyrembel die „Sum­me soziokulturel­ler At­tribute, die ein In­dividu­um als männ­lich oder weib­lich ein­ord­nen“. Hier findet wiederum eine Unterteilung in das zugeschriebene und das anerzogene Geschlecht statt. Das zugeschriebene Geschlecht wird bei der Geburt durch das sichtbare Genital bestimmt und dementsprechend in die Geburtsurkunde eingetragen. Unter anerzogenem Geschlecht versteht man das von den Eltern und dem sozialen Umfeld in der Erziehung begründete Geschlecht, das auch von hoher Relevanz für die Übernahme von bestimmten Geschlechterrollen ist.
  • juristisches Geschlecht: das in den Personaldokumenten anerkannte Geschlecht, das in der Geburtsurkunde eingetragen wurde. Es besteht die Möglichkeit der Änderung bzw. Berichtigung des juristischen Geschlechts. In Österreich gibt es seit Mitte September 2020  sechs Optionen zur Geschlechtseintragung: weiblich, männlich, inter, divers, offen oder „keine Angabe“ (Neuer Erlass zur Anerkennung intergeschlechtlicher Menschen).

Unterrichtsbeispiele

Lexikon

Doing GenderGender/Sexdoing gender

Quellen für die Begriffserklärungen

  • Bublitz, Hannelore (2016): Geschlecht. In: Korte, Hermann / Schäfers, Bernhard (Hg.): Einführung in Hauptbegriffe der Soziologie, 9. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 101–125.
  • Gildemeister, Regine (2021): Soziale Konstruktion von Geschlecht. „Doing gender“. In: Wilz, Sylvia Marlene (Hg.): Geschlechterdifferenzen – Geschlechterdifferenzierungen. Ein Überblick über gesellschaftliche Entwicklungen und theoretische Positionen, 3. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 171–204.
  • Holland-Cunz, Barbara (2021): Geschlecht (sex and gender). In: Kirchhoff, Thomas (Hg.): Online Encyclopedia Philosophy of Nature / Online Lexikon Naturphilosophie. Online abrufbar unter https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/oepn/article/view/85090 (letzter Onlinezugriff am 07.08.2022).
  • Pschyrembel Online. Online abrufbar unter https://www.pschyrembel.de/ (letzter Onlinezugriff am 06.08.2022).
  • Siedenbiedel, Mirjam (2016): Selbstbestimmung über das eigene Geschlecht. Rechtliche Aspekte des Behandlungswunsches transsexueller Minderjähriger. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
  • UNHCR – Hoher UN-Flüchtlingskommissar: UNHCR Age, Gender and Diversity Policy. Online abrufbar unter https://www.unhcr.org/protection/women/4e7757449/unhcr-age-gender-diversity-policy-working-people-communities-equality-protection.html#1 (letzter Onlinezugriff am 06.08.2022).
  • Weltgesundheitsorganisation [WHO]: Gender and health. Online abrufbar unter https://www.who.int/health-topics/gender#tab=tab_1 (letzter Onlinezugriff am 06.08.2022).