Decide-Workshop

dtc genetische Analysen

Am 3. und 4. November 2011 führten das Demokratiezentrum Wien, dialog<>gentechnik und das Institut für Höhere Studien gemeinsam mit Schüler*innen der HBLVA Rosensteingasse und des BRG6 Marchettigasse einen Aktionstag zum Thema dtc (direct to consumer) genetische Analysen durch.

Nach einer kurzen Einführung in das Thema dtc genetische Analysen tauchten die Schüler*innen der HBLVA Rosensteingasse und des BRG6 Marchettigasse am ersten bzw. zweiten Tag des Workshops in Gruppen von fünf bis sechs Schüler*innen in das noch relativ unbekannte Feld mithilfe des Diskussionsformats Decide ein.

Nachdem Ablauf und Regeln des kartenbasierenden Diskussionsformats erklärt worden waren, wurden schrittweise Geschichtenkarten, Informationskarten und Themenkarten in die Runden eingebracht und die Teilnehmer*innen dazu ermutigt, die von ihnen gezogenen oder ausgewählten Stellungnahmen, Informationen und Fragen der Runde vorzustellen.

Durch dieses Vorgehen ergab sich schrittweise eine Diskussion, die sich an den gegebenen Informationen entzündete, diese zum Teil aber auch hinter sich ließ, indem eigene Erfahrungen zu bestimmten Bereichen eingebracht wurden.

So wurde beispielsweise eine Parallele zu Hackerangriffen (2011), die mit der Veröffentlichung großer Mengen an sensiblen Daten einhergingen, gezogen, um das Problem der Sicherheit der eigenen genetischen Daten bei einer dtc genetischen Analyse zu unterstreichen.

Außerdem wurden Aspekte von dtc genetischen Analysen angesprochen, die das Thema mit gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen verknüpften: Es wurde so nicht nur die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Wissen beziehungsweise Nicht-Wissen von genetischen Prädispositionen diskutiert, sondern auch die mögliche Verlagerung von Labors in kostengünstigere Länder Afrikas und Asiens aufgrund der rechtlichen Bestimmungen in Europa problematisiert. Ein Teilnehmer wies darauf hin, dass ein solches Vorgehen ähnlich dem wäre, wie es in der Industrie (z.B. im Bereich Bekleidung) gang und gäbe sei, wo entwicklungsschwächere Länder durch Ausbeutung ihrer Arbeitskräfte „billig das Material liefern“ würden, dabei aber nicht nur ethische Normen, sondern auch die Qualität des Produkts auf der Strecke bliebe.

In diskursiver Auseinandersetzung mit den Fragen, die in den Themenkarten aufgeworfen wurden, und den exemplarischen Geschichten, entwickelten die Teilnehmer*innen nach und nach eigene Positionen zu den einzelnen Gesichtspunkten von dtc genetischen Analysen, unterzogen aber auch ihre eigene Einstellung in der Gruppe immer wieder einer Revision.

Auf ausgeteilten Clusterkarten wurden die zentralen Diskussionsthemen festgehalten sowie mit dazu passenden Info-, Themen und Geschichtenkarten verknüpft.

Schließlich wurde von jeder Gruppe im Plenum ein kurzer Überblick über die besprochenen Themen und die politische Meinung gegeben.

Anschließend wurden die Schüler*innen vom Institut für Höhere Studien und dem Demokratiezentrum Wien ermutigt, sich in einer vertiefenden Diskussion intensiv mit den verschiedenen Aspekten der dtc genetischen Analysen auseinanderzusetzen.

Hintergrund – dtc genetische Analysen

Die Bedeutung genetischer Tests im medizinischen Alltag steigt stetig. Darüber hinaus werden die Anwendungsbereiche genetischer Analysen zunehmend vielfältiger. Beispielsweise werden Tests für ernährungsrelevante Fragestellungen oder zu sportlichem Leistungsvermögen angeboten, und man kann eigene Gensequenzen mit denen anderer Personen über Internetplattformen vergleichen. Für medizinische Zwecke erfolgt der Zugang über die ärztliche Praxis mit entsprechender Beratung. Genetische Tests, die ohne ärztliche Überweisung gekauft werden können, werden als direct-to-consumer (dtc) Tests bezeichnet. Ein wichtiger Vertriebsweg ist dabei das Internet, das – unabhängig von nationalen Regeln – Zugang ermöglicht. In einem typischen Ablauf solcher Tests nimmt eine Person selbst eine Probe (beispielsweise einen Abstrich der Mundschleimhaut), schickt diese zur Analyse ein und erhält die Ergebnisse per Post oder Internet. Patient*innen und Konsument*innen stehen in Zukunft vermehrt vor der Entscheidung, ob und welche dieser Tests sie nutzen wollen.

Über Decide

Decide ist ein Kartenspiel, das ursprünglich von der New Economics Foundation (NEF) als Instrument für Politikberatung entwickelt wurde. Es ermöglicht kleineren Gruppen, sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen und politische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Aspekte zu diskutieren. In Kleingruppen werden beratende Sitzungen nachgeahmt, Fakten präsentiert und strittige Punkte aufgezeigt. Vorwissen ist dabei nicht notwendig, die Informationen werden im Spielverlauf bereitgestellt. Die Spielweise von Decide hilft den Teilnehmer*innen, mehr über ein Thema herauszufinden, ihre unterschiedlichen Meinungen auszudrücken, Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen zu entdecken und daraus einen Überblick über die Vielfalt der Positionen zu einem Thema zu erarbeiten. Im Zuge des Spiels ist die Urteilsfindung zu unterschiedlichen Positionen, die im Spiel vorgegeben sind, oder alternativ die Formulierung einer eigenen Position gefordert.

Mit freundlicher Unterstützung des Wissenschaftsministeriums