Internationaler Tag der Demokratie (jährlich am 15. September)
Einführung und Kontext
Demokratie ist einer der wichtigsten Werte unserer Gesellschaft und sichert die Souveränität und Teilhabe des Volkes. Aus diesem Grund führten die Vereinten Nationen 2007 den Internationalen Tag der Demokratie ein, der jährlich am 15. September begangen wird. Der Tag soll für alle Menschen Anlass sein, um die Demokratie zu feiern. Zudem soll die Öffentlichkeit für das Thema Demokratie sensibilisiert werden (vgl. United Nations General Assembly 2007: 3).
Demokratie wird von vielen als Bedingung für die Umsetzung der Menschenrechte gesehen, umgekehrt sind die Menschenrechte ein Grundpfeiler der Demokratie. Eine demokratische Politik- und Gesellschaftsform soll garantieren, dass die Machtkonzentration nicht bei einigen wenigen liegt, und somit Freiheit und Gleichheit für die Bürger*innen sowie ein friedliches Zusammenleben ermöglichen.
Der erste Artikel des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes lautet: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ In Österreich wird dieser Anspruch durch die repräsentative Demokratie umgesetzt. Vom Volk gewählte Repräsentant*innen (Vertreter*innen) entscheiden stellvertretend für die Bürger*innen (vgl. Republik Österreich Parlament). Allerdings gibt es in Österreich auch Elemente der direkten Demokratie, wie zum Beispiel Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen. Hierbei können die Bürger*innen direkt mitentscheiden (bei einer Volksabstimmung ist das Ergebnis sogar bindend) (vgl. Bundesministerium für Inneres). In der Schweiz hingegen sind die Elemente der direkten Demokratie viel stärker vertreten und werden dementsprechend auch mehr genutzt. Das bedeutet für die Bevölkerung, dass es viel öfter Abstimmungen gibt und die Bürger*innen direkt mitentscheiden dürfen. Beide Formen haben Vor- und Nachteile: Zwar dürfen Bürger*innen einer repräsentativen Demokratie weniger oft direkt mitentscheiden, andererseits bedeuten zahlreiche Abstimmungen auch einen großen Verwaltungsaufwand. Zudem gibt es viele politische Fragen, die aufgrund ihrer Komplexität nicht so einfach durch einen Stimmzettel beantwortet oder geklärt werden können (vgl. Republik Österreich Parlament).
Demokratie ist dabei nicht „von selbst“ entstanden: Lange Zeit lebten die Menschen in weiten Teilen der Welt in Monarchien bzw. Diktaturen. Das bedeutet, dass nur eine oder wenige Personen die gesamte Staatsgewalt ausübten. Das konnte zum Beispiel ein König oder Kaiser sein. Dabei gibt es keine Kontrollinstanz für die Herrscherin bzw. den Herrscher. Die Bürger*innen mussten sich die Demokratie und damit zusammenhängende Rechte (etwa Meinungsfreiheit, Recht auf politische Mitbestimmung, Recht auf Bildung) erst erkämpfen. Seit 1918 gilt die Republik Österreich als demokratischer Staat. Zwischen 1933 und 1945 – Zeit der austrofaschistischen und nationalsozialistischen Diktaturen – wurden demokratische rechte außer Kraft gesetzt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde schließlich die Zweite Republik ausgerufen, die bis heute besteht und auf den Grundpfeilern der Demokratie beruht.
Historischer Bezugspunkt
Das Gebiet des heutigen Österreich gehörte bis 1918 zur Habsburger Monarchie. Der Vielvölkerstaat zerbrach mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, Österreich wurde am 12. November 1918 zu einer demokratischen Republik ausgerufen (rückblickend spricht man hierbei von der Ersten Republik Österreichs) (vgl. Mazohl 2016: 440–441).
Dieser neuen Staatsform standen viele Österreicher*innen (sowohl Politiker*innen als auch die Bevölkerung) kritisch gegenüber. Da der Staat durch den Ersten Weltkrieg weite Teile des Landes verlor, gingen viele davon aus, dass Österreich zu klein sei, um in seinen neuen Grenzen überlebensfähig zu sein. Zu diesem Zeitpunkt wünschten sich viele Österreicher*innen einen Zusammenschluss mit Deutschland, der durch den Friedensvertrag von Saint Germain allerdings verboten war. Nach 1929 geriet Österreich gemeinsam mit vielen anderen Ländern in Folge der Weltwirtschaftskrise in eine schwierige Situation, die von zahlreichen Spannungen geprägt war (vgl. Zivildienstserviceagentur). Dies nutzte der damalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß, indem er 1933 das Parlament entmachtete, eine autoritäre Regierungsform einführte und andere Parteien verbot (vgl. Rathkolb 2016a: 496–499). Damit war Österreich nun keine Demokratie mehr. Die Zeit zwischen 1933 und 1938 wird als „Ständestaat“ bzw. Zeit des Austrofaschismus bezeichnet.
1938 wurde Österreich an das nationalsozialistische Deutschland angeschlossen (wobei viele Österreicher*innen den „Anschluss“ auch befürworteten), wodurch die Rückkehr zur Demokratie weiter in die Ferne rückte. Millionen von Menschen wurden von der nationalsozialistischen Diktatur aufgrund ihrer Religion, wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung, ihrer Herkunft oder politischen Gesinnung verfolgt, vertrieben, ausgegrenzt und ermordet. Sämtliche demokratischen Werte wurden in dieser Zeit abgeschafft.
Erst mit Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde die Zweite Republik Österreich von den wiedergegründeten Parteien SPÖ (anfangs Sozialistische Partei und Revolutionäre Sozialisten, bald Sozialistische Partei Österreich, heute Sozialdemokratische Partei Österreich), ÖVP (Österreichische Volkspartei) und KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) errichtet. Seither ist Österreich wieder eine Demokratie, die bis heute ununterbrochen besteht, sowie eine unabhängige Republik (vgl. Rathkolb 2016b: 525).
Dass die Vereinten Nationen (United Nations, UN) 2007 gerade den 15. September zum Internationalen Tag der Demokratie ernannten, wurde nicht begründet. Auch scheint der Tag auf kein bestimmtes geschichtliches Ereignis zu referieren. Da der Gedenktag einen internationalen Charakter haben soll, ist dies nicht verwunderlich. Jedes demokratische Land hat seine eigene Geschichte auf dem Weg zur Demokratie und dementsprechend eigene wichtige Schlüsseltage. Dies könnte der Grund sein, warum sich die UN für den 15. September als ein relativ neutrales Datum für den Internationalen Tag der Demokratie entschieden haben.
Einrichtung als Gedenktag
Für die UN ist die Demokratie ein wichtiger gemeinsamer Wert. Aus diesem Grund fördert die Organisation die Demokratie und die damit verbundenen Ideen von Gleichheit, Sicherheit und Partizipation (vgl. United Nations).
So stellt die Einführung des Internationalen Tags der Demokratie nur ein Ereignis von vielen in einer Kette an Versuchen dar, die Demokratie zu stärken und zu fördern. Dem Entschluss, den 15. September zum Internationalen Tag der Demokratie zu ernennen, ging so unter anderem die universelle Erklärung zur Demokratie (Universal Declaration on Democracy) voran, die wiederum auf die Agenda für Demokratisierung (Agenda for Democratisation) referiert, die 1996 vom damaligen UN-Generalsekretär Boutros Ghali präsentiert wurde. In der Deklaration werden die Grundprinzipien von Demokratie und die Aufgaben demokratischer Regierungen angeführt sowie die internationale Dimension von Demokratie thematisiert (vgl. Inter-Parliamentary Council).
In der Universal Declaration on Democracy (Allgemeine Erklärung zur Demokratie) hält die Interparlamentarische Union die Grundsätze der Demokratie, die Elemente und Aufgaben demokratischer Regierungen und die internationale Dimension von Demokratie fest (vgl. Inter-Parliamentary Council).
Diskurs in Medien und Öffentlichkeit
Die Vize-Präsident*innen der Europäischen Kommission Josep Borrell und Dubravka Šuica nahmen 2020 zum Internationalen Tag der Demokratie Stellung: Überall auf der Welt gibt es Menschen, die unter Einsatz ihres Lebens für Demokratie kämpfen. Insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie wird die Demokratie vor neue Herausforderungen gestellt. Dabei verfolgt die Europäische Union (EU) weiterhin das Ziel, die Demokratie zu stärken und voranzutreiben (vgl. European Commission).
Während der Corona-Pandemie wurde Demokratie erneut zu einem vieldiskutierten Thema, zu dem verschiedene Ansichten existieren. So sind Befürworter*innen der Corona-Maßnahmen häufig der Meinung, Demonstrantinnen und Demonstranten würden demokratiefeindlich handeln. Diese wiederum pochen auf ihre demokratischen Rechte wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und so auch auf ihr Recht, zu demonstrieren. 2020 wurde der 15. September von Zeitungen und Organisationen als Anlass genommen, um über eben jene Ansichten und Differenzen sowie weitere Fragen zum Thema „Demokratie in Pandemie-Zeiten“ zu diskutieren (vgl. u.a. Lohner 2020; Vereinte Nationen 2020). Diskussionen wie diese zeigen, dass Demokratie immer wieder neu ausverhandelt werden muss – insbesondere, wenn sich die Rahmenbedingungen und Bedürfnisse einer Gesellschaft ändern.
Trabrennplatzrede 1933
In der „Trabrennplatzrede“ vom Engelbert Dollfuß am 11. September 1933 spricht sich der Politiker gegen eine parlamentarische Demokratie aus: „Die Zeit der Parteienherrschaft ist vorbei! […] Wir lehnen Gleichschalterei und Terror ab, wir wollen den sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage, unter starker autoritärer Führung!“ (Dollfuß 1933: 8)
Ausschnitt der Rede Dollfuß‘ vom 11. September 1933, abgedruckt in der Reichspost vom 12. September 1933 Dollfuß, Engelbert (1933): Neues Österreich. In: Reichspost Nr. 256, Jg. 40., 12.09.1933, S. 1-8. via ANNO
Didaktische Hilfestellungen
Um in das Thema Demokratie einzuführen oder es zu vertiefen, kann auch ein kreativer Ansatz gewählt werden: Auf der Seite https://www.kas.de/de/tag-der-demokratie ist ein Video mit einem Gedicht über Demokratie zu finden. Dieses sehen sich die Schüler*innen an. Anschließend kann darüber diskutiert werden, ob die Schüler*innen eine Verbindung zwischen Demokratie und Geschmack/Schmecken nachempfinden können und wie sie diese Metapher deuten. Die Schüler*innen können auch selbst ein Gedicht zum Thema Demokratie verfassen, wobei der Kreativität keine Grenzen gesetzt werden sollen. Dabei kann ein subjektorientierter Ansatz gewählt werden: Was empfinde ich, wenn ich „Demokratie“ höre? Wie nehme ich Demokratie wahr? Verbinde ich damit bestimmte Gefühle oder Erinnerungen?
Demokratie ist mehr als nur ein Wahlsystem (nach dem Politikwissenschaftler und -didaktiker Gerd Himmelmann ist Demokratie eine Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsform; Himmelmann 2004: 7-9). Um alle Dimensionen und Ausprägungen von Demokratie zu erfassen, können alle Assoziationen zum Thema auf einem gemeinsamen Poster (bzw. auf der Tafel) festgehalten werden. Die Lehrperson bettet die Wortmeldungen in ein entsprechendes Demokratiekonzept ein.
Ein besonders wichtiger Aspekt von Demokratie ist Partizipation (Teilhabe). Gemeinsam sammelt die Klasse Möglichkeiten der Partizipation. Die Lehrperson ergänzt die Sammlung gegebenenfalls. Anschließend sucht sich jede*r Schüler*in eine Partizipationsmöglichkeit aus. Nun gehen alle im Klassenraum umher und befragen ihre Kolleg*innen, ob sie bereits die entsprechende Partizipationsmöglichkeit in Anspruch genommen haben. Alle Bejahungen werden auf einer Strichliste festgehalten. Die Ergebnisse der Klassenumfragen werden anschließend präsentiert und diskutiert. So erhalten sowohl die Lehrperson als auch die Schüler*innen einen Überblick über das Partizipationsverhalten in der Klasse, woran im folgenden Unterricht angesetzt werden kann.
Mögliche Aufgabenstellung:
(1) Fasse den Inhalt des Gesagten kurz zusammen.
(2) Analysiere, inwiefern Dollfuß in der Rede die Demokratie kritisiert bzw. denunziert.
(3) Interpretiere die Rede in Hinblick auf ihren zeitlichen Kontext. Welche politischen, sozialen und wirtschaftlichen Prozesse gingen ihr voraus? Welche Ereignisse folgten auf die Rede? Welche Bedeutung hat die Rede für die Demokratieentwicklung in Österreich?
Die Aufgabenstellung kann beispielsweise schriftlich in Einzelarbeit oder mündlich als Kleingruppenarbeit durchgeführt werden.
Mazohl, Brigitte (2016): Die Habsburgermonarchie 1848-1918. In: Winkelbauer, Thomas (Hg.): Geschichte Österreichs. Stuttgart: Reclam, S. 391-476.
Rathkolb, Oliver (2016a): Erste Republik, Austrofaschismus, Nationalsozialismus (1918-1945). In: Winkelbau-er, Thomas (Hg.): Geschichte Österreichs. Stuttgart: Reclam, S. 477-524.
Rathkolb, Oliver (2016b): Die Zweite Republik (seit 1945). In: Winkelbauer, Thomas (Hg.): Geschichte Öster-reichs. Stuttgart: Reclam, S. 525-596.
Rathkolb, Oliver (2017): Demokratiegeschichte Österreichs im europäischen Kontext. In: Helms, Lud-ger/Wineroither, David M. (Hg.): Die österreichische Demokratie im Vergleich. Baden-Baden: Nomos, S. 71-103.
United Nations General Assembly (2007): Resolution adopted by the General Assembly. 62/7. Support by the United Nations system of the efforts of Governments to promote and consolidate new or restored de-mocracies. http://archive.ipu.org/idd-e/a-62-296.pdf (19.08.2020).
Vereinte Nationen (2020): Die Vereinten Nationen fordern eine gerechte Welt zum Internationalen Tag der Demokratie. http://archive.ipu.org/idd-e/a-62-296.pdf (21.01.2021).
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