Internationaler Tag des Gedenkens an den Genozid an Sinti und Roma (jährlich am 2. August)

Einführung und Kontext

Am 2. August wird jährlich der letzten im NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verbliebenen 2.897 Sinti und Roma gedacht, die in dieser Nacht des Jahres 1944 von der SS ermordet wurden. In Erinnerung an die insgesamt 500.000 Sinti und Roma, die im nationalsozialistisch besetzten Europa ermordet wurden, erklärte das Europäische Parlament 2015 diesen Tag zum Europäischen Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma (vgl. Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma). Bis es jedoch zur Einführung des Gedenktages und einer Anerkennung der systematischen Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma als Völkermord kam, verstrichen einige Jahrzehnte (vgl. Meyer 2013: 10).

Verschiedene Gruppen wie unter anderem Roma, Sinti, Lovara, Kalderasch, Jenische, Manouches, Kalé, Romanichal Travellers, Resande wurden und werden immer noch als „Zigeuner“ bezeichnet und verfolgt. Roma bedeutet in der Minderheitensprache Romanes „Menschen“. „Zigeuner“ jedoch ist eine von Vorurteilen überlagerte Fremdbezeichnung, die von den meisten Angehörigen der Minderheiten als diskriminierend abgelehnt wird (vgl. Peritore 2005: 1126f.). Die in diesem Kontext stehende, von Stereotypen, Abneigung und Feindseligkeit geprägte Einstellung und Haltung gegenüber Sinti und Roma wird als Antiziganismus bezeichnet. Noch heute existiert Antiziganismus in unserer gesamten Gesellschaft als historisch gewachsene Herausforderung. Der Antiziganismusbegriff, der von Markus End im Zuge seiner Studie zu Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit definiert wurde, umfasst

  1. eine auf verallgemeinerte Eigenschaften reduzierte Wahrnehmung und Darstellung dieser Gruppen;
  2. bestimmte (negative) Fremdzuschreibungen an diese Gruppen,
  3. ein vor diesem Hintergrund entstehendes diskriminierendes und auch gewalttätiges Verhalten, das herabsetzend und ausschließend ist und strukturelle Ungleichheit hervorbringt (vgl. End 2014: 23f.).

Im Folgenden sollen einige Voraussetzungen angesprochen werden, die zum Völkermord an den Sinti und Roma führten. Die Geschichte des Antiziganismus reicht bis zur Einwanderung der Sinti und Roma nach Europa im 15. Jahrhundert zurück. Um den Begriff „Zigeuner“ entwickelte sich das von Abneigung und Feindseligkeit geprägte Bild, dass „die Zigeuner“ kriminell, betrügerisch und unmoralisch seien. An ehrlicher Arbeit oder einer normalen Lebensweise seien sie nicht interessiert (vgl. End 2011). Diese bis heute existierenden Vorurteile sind damals wie heute unbegründet und haben mit der Lebensrealität der Sinti und Roma nichts gemein. Jedoch führten diese Vorurteile dazu, dass im 17. und 18. Jahrhundert in unterschiedlichen europäischen Ländern Gesetze und Vorschriften eingeführt wurden, die die Ausgrenzung und Vertreibung von Sinti und Roma zum Ziel hatten. Die Roma und Sinti wurden als wanderndes Volk ohne Wurzeln und Herrscher wahrgenommen, was die europäische Bevölkerung dazu veranlasste, sich von ihnen weiter zu distanzieren und sie auszugrenzen. Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert galt diese auf Stereotypen beruhende vorgebliche Lebensweise der Sinti und Roma immer mehr als „rückständig“, und die Vorstellung von „reinen“ Nationen wurde immer größer. In dieser Vorstellung hatten Sinti und Roma keinen Platz. Sie wurden unbegründet aufgrund ihrer Herkunft als Verbrecher*innen gesehen, was dazu führte, dass bereits während des ersten Weltkrieges in Europa unterschiedlichste Polizeibehörden den Auftrag bekamen, Sinti und Roma zu erfassen und zu beobachten, um so der sogenannten „Zigeunerplage“ entgegenzuwirken. Diese Geschichte der Ausgrenzung über Jahrhunderte kann auch als Voraussetzung für den Völkermord an den Sinti und Roma durch den Nationalsozialismus gesehen werden.

Quellen