Frauen in der Politik

Erste Parlamentarierinnen in der Konstituierenden Nationalversammlung, 4. März 1919. Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei, von links vorne: Adelheid Popp, Therese Schlesinger, Anna Boschek, Emmy Freundlich, Maria Tusch, Amalie Seidel
© ÖNB 118.074C

Nach den Konstituierenden Nationalratswahlen vom 16. Februar 1919 zogen die ersten acht weiblichen Abgeordneten – sieben Sozialdemokratinnen und eine Christlichsoziale – in den Nationalrat ein. Damit waren – obwohl die Frauen die dominierende Mehrheit der Wähler*innen stellten – nur rund fünf Prozent aller Abgeordneten Frauen. Insgesamt sollte sich der Anteil an Frauen im Nationalrat in der Ersten Republik nur marginal erhöhen.

Auch in der Zweiten Republik änderte sich hieran nicht viel. Die 10-Prozent-Marke wurde erst nach den Nationalratswahlen 1986 überschritten. Der bis zu diesem Zeitpunkt höchste Anteil an Frauen unter den Abgeordneten wurde nach den Nationalratswahlen 2002 mit 33,9 Prozent erreicht. Bei den Nationalratswahlen 2008 war eine rückgängige Tendenz feststellbar – der Anteil an Frauen unter den Abgeordneten lag bei 28,4 Prozent. Seit den Nationalratswahlen im Jahr 2013 stieg der Frauenanteil wieder, sodass er im Jahr 2019 bei 39,9 Prozent lag.

In hohe politische Funktionen drangen Frauen – mit Ausnahme von Olga Rudel-Zeynek, die zwischen 1927 und 1932 Vorsitzende des Bundesrats war – erst in der Zweiten Republik vor. 1945 war die Kommunistin Hella Postranecky die erste Frau in einer Regierung. Sie bekleidete in der Provisorischen Staatsregierung Renner das Amt einer Unterstaatssekretärin für Volksernährung. Ihr folgte erst 1966 Grete Rehor als Sozialministerin in der ÖVP-Alleinregierung Klaus als zweite Frau in einer österreichischen Regierung nach. Seither sind Frauen regelmäßig – bis heute jedoch unterrepräsentiert und nicht ihrem Anteil an der Bevölkerung und Wähler*innenschaft entsprechend – in den Regierungen vertreten.

Johanna Dohnal forderte bereits in den 1970er Jahren, dass jeder zweite Abgeordnete eine Frau sein soll
© VGA/AZ-Bildarchiv

1979 wurde mit Johanna Dohnal an der Spitze ein Staatssekretariat für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt eingerichtet, das 1990 in ein Bundesministerium für Frauenangelegenheiten umgewandelt wurde. Dies kann als Beginn einer institutionalisierten Frauenpolitik gesehen werden. Parallel dazu entstand in den 1970er Jahren eine autonome Frauenbewegung, die parteiunabhängig für eine Verbesserung der Situation der Frau kämpfte und mit dem Kampfruf „Das Private ist politisch“ Herrschaftsstrukturen in allen Bereichen der Gesellschaft – der Familie, der Sexualität, den Rollenzuschreibungen von Mann und Frau – aufdeckte.

Die erste Klubobfrau im Parlament war 1986 auf Seiten der Grünen Alternativen Freda Meissner-Blau. Im gleichen Jahr zog auch die erste Frau, Marga Hubinek (ÖVP), ins Präsidium des Nationalrates ein. Heide Schmidt wurde – sieht man von der in der Ersten Republik bestehenden Frauenpartei ab – 1988 als erste Frau Generalsekretärin einer Partei (FPÖ) und 1993 als erste Frau Vorsitzende einer Partei (LIF). 2000 wurde Susanne Riess-Passer (FPÖ) die erste Vizekanzlerin der Republik Österreich. 2006 wurde mit Barbara Prammer (SPÖ) zum ersten Mal eine Frau zur Ersten Nationalratspräsidentin gewählt.

Wahlplakat der Grünen Alternative für die Wiener Gemeinderats-/Landtagswahlen 1991
© Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung / Sammlung Kunisch

Um den Anteil von Frauen in der Politik zu erhöhen, hat die SPÖ als erste Partei 1985 die Einführung einer 25-Prozent-Frauenquote beschlossen, die 1993 auf 40 Prozent erhöht wurde. Im aktuellen Parteistatut heißt es, dass bei der Wahl von Funktionär*innen wie bei der Erstellung von Kandidat*innenlisten sicher zu stellen ist, „dass nicht weniger als 40 Prozent Frauen und nicht weniger als 40 Prozent Männer vertreten sind“. Die ÖVP hat sich 1995 in ihrem Grundsatzprogramm dafür ausgesprochen, die gleichberechtigte Vertretung von Frauen in der Politik durch eine Mindestquote von einem Drittel für öffentliche Mandatar*innen voranzutreiben. Das Organisationsstatut von 2017 sieht ein „möglichst ausgewogenes Verhältnis“ zwischen Frauen und Männern in allen Gremien vor (bzw. 40%), wobei für die Listenerstellung das Reißverschlusssystem zur Anwendung kommen soll, das eine abwechselnde Platzierung von Frauen und Männern im Sinn hat. Die Grünen haben sich bereits in ihren ersten Parteistatuten 1987 für eine Parität von Frauen und Männern in allen Parteigremien auf Bundesebene sowie für die Kandidat*innenliste bei Nationalratswahlen festgelegt und sprechen sich heute dafür aus, dass 50 Prozent der Spitzenpositionen in allen Bereichen mit Frauen besetzt werden. In den Satzungen der FPÖ und der NEOS findet sich zum Stand 2019 keine Bestimmung zur ausgewogenen Repräsentation von Frauen und Männern in den eigenen Gremien bzw. auf den Wahllisten. Im alten FPÖ-Bundesparteistatut von 1974 gab es jedoch noch die Regelung, wonach dem Bundessparteivorstand mindestens eine Frau angehören muss.

Insgesamt besteht – wie etwa das Beispiel des Nationalrats zeigt – in der Frage der geschlechtergerechten Verteilung von Ämtern und Funktionen im politischen System (und darüber hinaus in anderen Bereichen der Gesellschaft) noch großer Handlungsbedarf, um eine gleichberechtigte Vertretung von Frauen und Männern zu garantieren. Mindestens genauso wichtig ist es, auch darauf zu achten, dass die Inhalte von Politik an der Geschlechterdemokratie orientiert sind und dazu beitragen, gleiche Chancen zu schaffen und die Benachteiligung von Frauen abzubauen.