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Alexandra Kollontai

Frauenrechtlerin, Politikerin, Diplomatin, Schriftstellerin

geboren am 31. März 1872, gestorben am 9. März 1952

„Eigentlich habe ich nicht ein, sondern viele Leben gelebt, so groß waren die Unterschiede zwischen den verschiedenen Perioden meines Lebens. Es war kein leichtes Leben, kein „Gang über Rosen“ (…) Es gab alles in meinem Leben: Erfolge, schwerste Arbeit, Anerkennung, Popularität bei den breiten Massen, Verfolgung, Hass, Gefängnis, Misserfolg und Unverständnis für meine Grundgedanken (in der Frauenfrage und in der Frage der Ehe).“ (nach Kollontai 1979: 14).

Alexandra Kollontai widmet einen Großteil ihres Lebens der Verbesserung der Lebenssituation von Frauen. In ihrem Engagement bemüht sie sich um Verbesserungen für Arbeiterinnen und Mutterschutz. Sie setzt sich für eine neue Sexualmoral ein, beschäftigt sich mit der Problematik der Armutsprostitution und fordert immer wieder die volle Gleichberechtigung der Geschlechter. In ihren temperamentvollen und leidenschaftlichen Reden vertritt sie die Ansicht, dass die Entwicklung einer neuen russischen Gesellschaft nur möglich wird, wenn Männerherrschaft auch in der Arbeiterklasse beseitigt ist.

Alexandra Kollontai wird am 31. März 1872 als Tochter einer finnischen Mutter und eines adeligen Generals in Sankt Petersburg geboren. Ihrer Gouvernante verdankt sie ihren Blick für soziale Ungerechtigkeit. Der Besuch einer Textilfabrik 1896 mit den unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen für die Arbeiterinnen wird zu einem Schlüsselerlebnis für die junge Frau. Sie beginnt sich politisch zu engagieren. Nach ihrer Ehe mit ihrem Vetter Wladimir L. Kollontai, einem mittellosen Ingenieur, und der Geburt ihres Sohnes 1894 beginnt sie in der Schweiz mit Unterstützung ihrer Familie ein sozial- und wirtschaftswissenschaftliches Studium.

1899 kehrt sie wieder nach Russland zurück, muss jedoch 1908 aufgrund ihrer politischen Agitation nach Deutschland emigrieren, wo sie August Bebel, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin kennenlernt. Clara Zetkin begegnet sie immer wieder auf den zahlreichen internationalen Frauenkongressen, an denen sie teilnimmt. Während der Oktoberrevolution 1917 in Russland ist sie in Dänemark, Schweden und Norwegen politisch agitierend unterwegs. Wenig später kehrt sie nach Russland zurück und wird erste Sozialministerin weltweit. In dieser Funktion setzt sie zahlreiche sozialpolitische Verbesserungen für Frauen durch: Aufklärungskampagnen über Säuglingspflege, Hygiene, Verhütungsmöglichkeiten, gynäkologische Untersuchungs- und Beratungsstellen, Mutterschutzgesetzgebung, Schwangerschaftsurlaub bei voller Bezahlung und Arbeitsplatzgarantie.

1919 folgt sie der Politikerin Inessa Armand als Leiterin der Frauenabteilung beim Zentralkomitee nach und arbeitet dort für die Interessen der Frauen bis 1922. Wegen „innerparteilicher Differenzen“ wird die Abteilung 1929 schließlich aufgelöst.

Nach einer Auseinandersetzung mit Lenin und der Trennung von ihrem zweiten Mann – 1918 hatte sie den um 17 Jahre jüngeren Volkskommissar für die russische Flotte Pavel Dybenko geheiratet – geht sie als erste russische Botschafterin nach Norwegen. Sie hatte die sowjetische Führungselite grundsätzlich kritisiert. Ein halbes Jahr nach dieser Kritik bittet sie Stalin in einem Brief um Versetzung ins Ausland. Wie sehr diese Entscheidung freiwillig war, ist nach wie vor nicht geklärt. Warum sie unter Stalin nicht ebenso wie andere Lenin nahestehende Genossen liquidiert oder deportiert wurde, ist den vorhandenen Dokumenten nicht zu entnehmen. Sie scheint resigniert zu haben und ihr neues Amt als Diplomatin unter der Auflage, nicht mehr oppositionell-politisch tätig zu sein, angenommen zu haben.

Als Diplomatin äußert sie sich in der Folge nicht mehr zu frauenpolitischen Themen, gilt aber bis ins hohe Alter als fähige und wichtige Politikerin. So ist sie Mitglied der russischen Delegation 1935, als Russland in den Völkerbund aufgenommen wird.

Trotz ihrer halbseitigen Lähmung nach einem Schlaganfall 1942 ermöglicht sie in langen Verhandlungen Finnland 1944 den Ausstieg aus dem Krieg, wofür sie von Stalin ausgezeichnet wird. Mit Kriegsende zieht sich Alexandra Kollontai schließlich endgültig aus allen Ämtern zurück und lebt bis zu ihrem Tod am 9.März 1952 von ihrer Freundin Emy Lorentsson versorgt, in einer Moskauer Dreizimmerwohnung.

Lange Zeit in Vergessenheit geraten, werden die Schriften dieser außergewöhnlichen Frau vor allem in den 70er und 80er Jahren wieder aufgegriffen, in denen sie nicht nur ihrer kommunistischen Überzeugung von einer möglichen, neuen Gesellschaft Ausdruck verleiht, sondern auch unkonventionelle Vorstellungen über das Geschlechterverhältnis formuliert. Unter anderem vertritt sie die Meinung, sich einem Mann nicht völlig hinzugeben und sich aufzuopfern. Stattdessen sollte die Frau „(…) die Entspannung der erotischen Begeisterung (leben), ohne dafür mit der Freiheit seiner Seele zu bezahlen, mit seiner Zukunft, ohne dem innerlich-fremden Liebespartner sein ganzes ‚Ich‘ zu Füßen zu legen (…)“ und „Nicht die sexuellen Beziehungen bestimmen das moralische Ansehen der Frau, sondern ihr Wert im Arbeitsleben, bei der gesellschaftlich-nützlichen Arbeit.“ (Kollontai 1979: 13)

Zu den bekanntesten literarischen Werken der Schriftstellerin und Politikerin Alexandra Kollontai gehören die Bücher „Soziale Grundlage der Frauenfrage“ (1909), „Die Familie und der kommunistische Staat“ (1922) und die Erzählungen „Wege der Liebe“ (1925).

Quellen

  • Evans Clements, Barbara (1979): Bolshevik feminist. the life of Aleksandra Kollontai. Bloomington.
  • Farnsworth, Beatrice (1980): Aleksandra Kollontai. Socialism, feminism and the Bolshevik revolution. Stanford, CA.
  • Kollontai, Alexandra (1979): Der weite Weg, Erzählungen, Aufsätze, Kommentare. Frankfurt.
  • Porter, Cathy (1980): Alexandra Kollontai. A biography. London.
  • Raether, Gabriele (1986): Alexandra Kollontai zur Einführung. Hamburg.
  • Schejnis, Sinowi (1984): Alexandra Kollontai. Das Leben einer ungewöhnlichen Frau. Berlin.