Weitere Möglichkeiten kommunaler Mitbestimmung

Bürgerinitiativen

Die Zahl an Bürgerinitiativen hat in Wien in den letzten Jahren stetig zugenommen. Ein Großteil der Bürgerinitiativen ist bei Aktion21, eine Art Dachverband, versammelt. Zwar gibt es auf kommunaler Ebene in Wien bislang keine gesetzlichen Regelungen für Bürgerinitiativen, der Wert von Bürgerinitiativen im Bereich der politischen Mitbestimmung ist dennoch nicht unbedeutend. Insbesondere auf Bezirksebene engagieren sich immer mehr BürgerInnen und kämpfen für oder gegen Projekte in ihrem Lebensumfeld (Die Presse, 25.06.2012). Dabei werden die Bürgerinitiativen nicht selten von oppositionellen Parteien und den Medien unterstützt. So wird die Bürgerinitiative „Steinhof erhalten“, die sich gegen eine Neugestaltung des Areals beim Otto-Wagner-Spital richtet, u.a. medial von der Kronenzeitung und finanziell von den Oppositionsparteien unterstützt (Wiener Zeitung, 01.08.2012). Um den emotional aufgeladenen Konflikt zu entschärfen, wurde von der Stadt Wien ein Mediationsverfahren eingeleitet. Ziel war es die unterschiedlichen Interessen von BürgerInnen, der Stadt Wien und weiteren AkteurInnen auf einen Nenner zu bringen und eine gemeinsame Einigung zu finden (wien.gv.at). Die Reaktion der Stadt Wien zeigt, dass Bürgeriniativen auch ohne gesetzliche Grundlage von der Politik ernst genommen werden.

Bürger*innen-Beteiligungsverfahren der Stadt Wien

Lokale Agenda 21

Die Agenda 21 ist ein kommunales Bürger*innen-Beteiligungsverfahren in Wien, das interessierte Bürger*innen bei der Umsetzung von Ideen zur nachhaltigen Bezirksentwicklung, der Finanzierung und Behördenwegen unterstützt. Der Ursprung des Handlungsprogramms Lokale Agenda 21 liegt im UN-Weltklimagipfel von 1992 in Rio.

Wiener Charta

Vom 19. März 2012 bis 14. Oktober 2012 hatten Wiener*innen die Chance in dem Bürger*innen-Beteiligungsprojekt „Wiener Charta“ selbst Spielregeln und Grundsätze für ein „gutes Zusammenleben“ zu erarbeiten. Jede und jeder, unabhängig ihres und seines Alters, Geschlechts oder Herkunft hatte die Möglichkeit Themen zu bestimmen und die Charta in Diskussionen aktiv mitzugestalten. Die Wiener Charta gliederte sich in drei Phasen. In Phase 1 konnten engagierte Bürger*innen Ideen, Anregungen und Themen für ein besseres Zusammenleben vorschlagen, die in Themenblöcken zusammengefasst wurden. In der zweiten Phase fanden zu den Themen die so genannten „Charta-Gespräche“ statt, die von engagierten Bürger*innen, Unternehmen und Organisationen veranstaltet wurden. Die Ergebnisse der Diskussionen wurden auf die Online-Plattform übertragen und in einer dritten Phase von den Bürger*innen online oder per Telefon kommentiert und diskutiert. Den Abschluss des Beteiligungsprozesses bildet eine selbständige und freiwillige Vereinbarung über die Regeln des Zusammenlebens und für einen fairen Umgang miteinander. Das sieben Punkte umfassende Papier soll zugleich die Wertehaltung der Wiener Bevölkerung abbilden und eine Handlungsanleitung für die Politik darstellen (Pressebericht zur Präsentation der Wiener Charta im Rathaus Wien).

Bürgerbeteiligung „Umgestaltung Schwedenplatz“

Insbesondere bei Stadtentwicklungsplänen bindet die Stadt Wien zunehmend Bürger*innen ein (Wiener Zeitung, 20.09.2012). So hat im Juni 2012 die Wiener Stadtregierung unter dem Titel „Zukunft Schwedenplatz mischen Sie mit!“ das „größte Bürger*innen-Beteiligungsverfahren in der Geschichte Wiens“ eingeleitet (Der Standard, 13.06.2012). In einem vierphasigen Prozess konnten engagierte Bürger*innen sich an der Umgestaltung des Schwedenplatzes – Morzinplatzes beteiligen. Interessierte konnten bis zum 24. Juni 2012 ihre Anregungen und Ideen zu einem Umbau sowohl über das Internet als auch vor Ort mittels einer „Dialogbox“ mitteilen. Der Prozess wurde gleichzeitig von Expert*innen begleitet, die eine Verkehrsraumuntersuchung und Sozialraumanalyse erstellten (Phase 2). Im September 2012 wurden die einzelnen Ergebnisse der Sammlung der Nutzungswünsche der Bürger*innen und der Gespräche sowie der Analysen der Expert*innen zusammengeführt und anschließend unter Bürger*innen, Expert*innen und weiteren Akteur*innen diskutiert (Phase 3). In einer letzten Phase erstellte ein ressortübergreifendes Team der Stadt Wien aus den einzelnen Ergebnissen ein Leitbild, das die zukünftige Neugestaltung des Schweden- und Morzinplatzes bestimmen soll (schwedenplatz.wien.gv.at). 2016 wurden dann vom Gewinnerbüro die Pläne des neuen Schwedenplatzes präsentiert. Und obwohl diese Pläne aus bürokratischen Gründen und Uneinigkeiten in der Politik noch nicht umgesetzt werden konnten, bot dieses Bürger*innen-Beteiligungsprojekt einen guten Einblick, wie sowohl Bürger*innen als auch Expert*innen in den Entscheidungsprozess eingeschlossen werden können.

Bürgerbeteiligung „Innere Mariahilfer Straße“

Auch die geplante Neugestaltung der Inneren Mariahilfer Straße wurde unter Einbeziehung der Bürger*innen der Stadt allgemein gestaltet. Der Prozess begann im Herbst 2011 mit mehreren Dialogveranstaltungen, in deren Rahmen sich etwa 1.200 Wiener*innen aktiv beteiligten. Ergänzend gab es auch online die Möglichkeit, sich am Dialog zu beteiligen, was in etwa 941 Einträgen von User*innen resultierte. Neben ausführlichen Analysen des Sozialraums, der Geschäftsstraße, des Lieferverkehrs und des allgemeinen Verkehrs in der Mariahilfer Straße wurden auch die Anregungen der Bürger*innen in die Planung mit einbezogen. Danach kam es zu einer Anrainerbefragung, die im Februar 2013 durchgeführt wurde. Von April bis Juni 2013 fand die „Detailplanung“ statt. Bürger*innen wurden dazu aufgerufen, konkrete Ideen zu Aspekten des Konzepts einzubringen und auch kreative Ideen zur konkreten Gestaltung der neuen „Begegnungszone“ vorzuschlagen. Der Bau der neuen Mariahilfer Straße wurde im Juli 2015 abgeschlossen und machte die Einkaufsstraße zu einem freundlicheren Ort für Fußgänger*innen.