Das Atomkraftwerk Zwentendorf: Bau, Proteste, Volksabstimmung

1956

Gründung der Österreichischen Studiengesellschaft für Kernenergie. Sie befasst sich mit Fragen über Kernkraftwerke in Österreich.

1958

Im Mai beauftragt die Verbundgesellschaft Fachleute mit der Standortsuche für ein Atomkraftwerk in Österreich.

1960

Am 25. September wird der erste Forschungsreaktor Österreichs in Seibersdorf in Betrieb genommen.

1963

Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Kernkraftwerke“.

1967

Beschluss der österreichischen Energiewirtschaft, ein Kernkraftwerk in Österreich zu errichten.

1968

1. März: Verbund und Elektrizitätsgesellschaften der Bundesländer gründen die Kernkraftwerksplanungsges.m.b.H (KKWP).

November: Der Standort Zwentendorf wird für ein 600-Megawatt-Kernkraftwerk bestimmt.

1969

Mai: Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht den Bau eines Atomkraftwerks vor.

11. August: Der Nationalrat verabschiedet das Strahlenschutzgesetz.

28. November: Der Hauptausschuss des Nationalrates verabschiedet einstimmig die Zustimmung zur Beteiligung der Verbundgesellschaft an der Kernkraftwerksbaubetriebsgesellschaft.

1970

10. Februar: Gründung der Gemeinschaftskernkraftwerk-Tullnerfeld-Gesellschaft m.b.H. (GKT). Daran beteiligen sich der Verbund (50%) und die Landesgesellschaften von Tirol (13,34%), Niederösterreich (10,83%), Steiermark (10%), Oberösterreich (8,33%), Kärnten (3,33%), Salzburg (2,5%) und Vorarlberg (1,67%). Nicht beteiligt sind Wien und Burgenland.

1971

Am 22. März wird die Entscheidung für den Baubeginn des AKW Zwentendorf durch die Bundesregierung getroffen. Der kommerzielle Betriebsbeginn ist für August 1976 vorgesehen.

Am 30. April beginnt der Bau des AKWs Zwentendorf.

1972

12. Jänner: Das Parlament verabschiedet eine Strahlenschutzverordnung.

April 1972-Jänner 1978: Das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz erlässt 53 Teilbewilligungen und über 1.000 Bedingungen und Auflagen zu Bauvorschriften und Schutzvorkehrungen für Bevölkerung und Umwelt im Zusammenhang mit dem Bau des AKWs.

1975

Die „Initiative Österreichischer Atomkraftwerksgegner“ (IÖAG) wird als Dachverband der Anti-Atomkraft-Gruppen gegründet.

1976

Der Energieplan der Regierung sieht den Bau von drei Atomkraftwerken bis 1990 vor.

14. Oktober: Beginn der Informationskampagne der Bundesregierung zur Beantwortung von fünf zentralen Fragestellungen zur Nutzung der Atomenergie.

1977

24. März: Atomenergiegegner*innen demonstrieren in Wien, Graz, Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt.

Mai/Juni: In vier österreichischen Städten finden Symposien zum Thema „Atomenergie“ statt.

6. Juni: Regierungsklausur auf Schloss Hernstein: Nach Vorträgen von Fachleuten spricht sich die Regierung für die Nutzung der Atomenergie und die Inbetriebnahme von Zwentendorf aus, sollte die Frage der Entsorgung der abgebrannten Brennstäbe gelöst werden können.

Juli: ÖVP-Vorsitzender Taus kündigt das Ende der Bereitschaft zu einer Einigung mit der SPÖ in der Frage der Atomenergie bzw. Zwentendorfs an.

Dezember: Der Regierungsbericht über die Atomenergie wird dem Ministerrat und anschließend dem Nationalrat vorgelegt.

23. Dezember: Bewilligung des Gesundheitsministeriums zur Lagerung von Brennelementen in Zwentendorf.

1978

Jänner: Die Sozialistische Jugend schlägt eine Volksabstimmung zu Zwentendorf vor, Kreisky lehnt ab.

10. Jänner: Die für 10. Jänner vorgesehene und geheim gehaltene Anlieferung von Brennelementen für das AKW Zwentendorf aus Hanau (D) platzt, da die IÖAG (Initiative österreichischer Atomkraftwerksgegner) den Liefertermin erfahren hat und Protestaktionen befürchtet werden.

18. Jänner: Anlieferung der Brennelemente per Flugzeug und Hubschrauber.
Ende Jänner: Die FPÖ lehnt Atomenergie und den Atombericht der Bundesregierung grundsätzlich ab.

Anfang Februar: Die ÖVP begrüßt grundsätzlich die Nutzung der Atomenergie, lehnt jedoch Zwentendorf und den Atombericht auf Grund der mangelnden Sicherheitsbestimmungen und der Lückenhaftigkeit des Berichts ab.

Mitte Februar: Ein „Atom-Unterausschuss“ soll die Mängel des Atomberichts beheben. Expert*innenhearings und Stellungnahmen von Befürworter*innen und Gegner*innen sind geplant. Der Ausschuss kann keine Einigung über den Atombericht erzielen. FPÖ und dann auch ÖVP verweigern ihr „Ja“ Ende Mai.

22. Juni: Der SPÖ-Parteivorstand beschließt, dass die Frage der Nutzung der Kernenergie einer Volksabstimmung unterworfen werden soll. Er befürchtet, im Parlament keine Zustimmung zu erhalten.

28. Juni: Atomenergiebericht der Regierung wird im Parlament mit den Stimmen der SPÖ angenommen, ebenso der Entwurf des Gesetzes über die friedliche Nutzung der Atomenergie. Der Gesamtentwurf zur Volksabstimmung wird einstimmig angenommen.

6. Juli: Ablehnung des Gesetzentwurfs durch den Ministerrat.

7. Juli: Durch einen Beharrungsbeschluss des Parlaments wird der Ministerratsbeschluss aufgehoben.

25. August: Gründung des „Komitees für Zwentendorf“, Mitglieder sind u.a. der Generaldirektor der Österreichischen Nationalbank und der stellvertretende Generalsekretär der Industriellenvereinigung.

30. August: Gründung der Arbeitsgemeinschaft „Nein zu Zwentendorf“

13. September: Bundespräsident Kirchschläger ordnet eine Volksabstimmung über den Gesetzesbeschluss an.

Ab Oktober: Werbekampagnen der Befürworter*innen und der Gegner*innen des AKW Zwentendorf, Wahlempfehlungen der Parteien, Interessenverbände und von Personen des öffentlichen Lebens.

5. November: Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf. 1.576.839 (= 49,33%) stimmen mit Ja, 1.606.308 (= 50,47%) stimmen mit Nein.

9. November: Generalversammlung der GKT-Gesellschafter (Gemeinschaftskernkraftwerksgesellschafter) beschließt Einstellung der Arbeiten zur Fertigstellung des Kernkraftwerks.

13. Dezember: Gesetz über Verbot des Baus und der Inbetriebnahme von bereits bestehenden Atomkraftwerken in Österreich wird im Parlament verabschiedet.

1985

8. Februar: Bundeskanzler Fred Sinowatz kündigt einen SPÖ-Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung über die friedliche Nutzung der Kernenergie an. Voraussetzung dafür ist die Aufhebung des Atomsperrgesetzes

20. Februar: Bundeskanzler Sinowatz übermittelt den Klubobmännern der drei Parlamentsparteien das Angebot der Sowjetunion, ausgebrannte Kernstäbe zu übernehmen.

21. Februar: Bundeskanzler Sinowatz legt den Sicherheitsbericht der Reaktorsicherheitskommission vor, nach dem Zwentendorf den internationalen Sicherheitsstandards für moderne Kraftwerke entspricht.

6. März: Die SPÖ bringt einen Initiativantrag zu einem Bundesverfassungsgesetz ein, der die Durchführung einer Volksabstimmung über die friedliche Nutzung der Kernenergie in Österreich beinhaltet; spricht sich eine Mehrheit bei der Volksabstimmung für die Kernenergie aus, tritt automatisch das Atomsperrgesetz außer Kraft.

15. März: Der Initiativantrag der SPÖ für eine Volksabstimmung über die Inbetriebnahme Zwentendorfs und damit für die Aufhebung des Atomsperrgesetzes findet im zuständigen parlamentarischen Ausschuss nicht die erforderliche Mehrheit (10:10 Stimmen)

21. März: Der Initiativantrag der SPÖ zu einer Volksabstimmung über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf findet im Nationalrat nicht die erforderliche Mehrheit (91 Ja-Stimmen : 90 Nein-Stimmen), bei der Abstimmung ist der Klubzwang aufgehoben.

18. März: Bundeskanzler Sinowatz kündigt an, keinen Antrag auf Aufhebung des Atomsperrgesetzes einzubringen

27. März: Die Gesellschafter des Gemeinschaftskraftwerkes Tullnerfeld (GKT) beschließen eine „stille Liquidation“ des Kraftwerks.

Bis 1985 hat Zwentendorf insgesamt 14 Milliarden Schilling gekostet.

Archiviert seit: 04/2015

Quellen

  • Forum Politische Bildung (Hg.): Wendepunkte und Kontinuitäten. Zäsuren der demokratischen Entwicklung in der österreichischen Geschichte (Sonderband der Informationen zur Politischen Bildung). Studien-Verlag, Innsbruck 1998, S. 158-159
  • Pelinka, Anton: Die Kleine Koalition SPÖ-FPÖ 1983-1986. Böhlau Verlag, Wien/Köln/Graz 1993
    Der Österreich-Bericht 1985. Presseübersicht. Zusammengestellt vom Bundespressedienst des Bundeskanzleramtes