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Gerda Lerner

Feministin, Pionierin der Frauengeschichtsforschung

geboren am 30. April 1920, gestorben am 2. Januar 2013

Gerda Lerner (damals Kronstein) wird 1920 in Wien geboren. In einer Zeit in der der Antisemitismus immer stärker wird und der Nationalsozialismus immer mehr Anhänger*innen findet, wächst sie in einer gutsituierten jüdischen Familie auf – der Vater Apotheker, die Mutter Künstlerin und Bohème. Ihre Mutter behauptet sich ihrem Mann gegenüber als selbständige Frau, deren Unabhängigkeit und Unkonventionalität auch Gerda Lerner beeinflusst. Sie interessiert sich für marxistische Ideen und wird in ihrer Jugend politisch aktiv. Dies führt kurz nach der Machtübernahme dazu, dass sie inhaftiert wird – eine Erfahrung, die sie ihr ganzes Leben lang prägt. Ein Jahr später gelingt ihr die Flucht und sie reist in die USA, wo sie sich gemeinsam mit ihrem Freund Barnard Jensen einen Freundeskreis deutschsprachiger antifaschistischer Flüchtlinge aufbaut. Nach der Scheidung arbeitet sie als Röntgenassistentin und als Verkäuferin.

1941 heiratet sie den kommunistischen Theaterdirektor Carl Lerner. Gerda Lerner beginnt sich im Congress of American Women (CAW) zu engagieren, einer amerikanischen Frauenrechtsorganisation, die der kommunistischen Women’s International Democratic Federation nahe stand. Im Rahmen dieses Engagements arbeitete Gerda Lerner mit verarmten schwarzen Frauen. Gerda Lerner beginnt zu schreiben und verarbeitet die harte Realität des Einwanderinnenlebens und den Existenzkampf um ihre Familie. Schon bald widmet sie sich Frauenbiografien und erkennt, dass diese in der Geschichtsschreibung kaum repräsentiert sind.

Mit 38 Jahren beginnt Gerda Lerner zu studieren, 1966 promoviert sie an der Columbia University in New York. Ihre Dissertation widmet sie der Ablehnung und dem Kampf der Sklaverei durch weiße Frauen – zu diesem Zeitpunkt gibt es mit Eleanor Flexner nur eine weitere Historikerin, die sich Frauenrechtsbewegungen des 19. Jahrhunderts widmete.

Im Lauf ihrer universitären Karriere widmet sie sich der Frauengeschichtsforschung und untersucht unter anderem die Kategorien „class, race, sex“ auf ihre Abhängigkeiten hin. 1972 veröffentlicht sie den Sammelband „Black Women in White America“ – obwohl afro-amerikanische Geschichte ein wachsendes Forschungsfeld ist, gibt es zu diesem Zeitpunkt keine Literatur, die sich explizit den Frauen widmet. Gerda Lerners Buch kann insofern als politischer Akt angesehen werden. Sie forscht am Sarah Lawrence College im Bundesstaat New York und schafft es ein MA-Programm einzuführen, das sich der Frauengeschichte widmet und bis heute besteht. Später lehrt sie an der Universität von Wisconsin, wo sie ebenfalls ein PhD-Programm ins Leben ruft. Lerner begreift das soziale Geschlecht als grundlegendes Ordnungsprinzip der Gesellschaft und erforscht die Teilhabe von Frauen am patriarchalen System.

1990 wird sie emeritiert, ist aber weiterhin in der Frauengeschichtsforschung und als Autorin aktiv. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Karriere entstehen zahlreiche Standardwerke der Frauengeschichtsforschung – unter anderem „Die Entstehung des Patriarchats“ oder „Die Entstehung des feministischen Bewusstseins: Vom Mittelalter bis zur ersten Frauenbewegung“.

Im Jänner 2013 stirbt sie im Alter von 92 Jahren in Madison, Wisconsin.

Gerda Lerner erhielt zahlreiche Preise, unter anderem 1996 das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und als einzige Frau den Bruce-Catton-Preis für ihr Lebenswerk in amerikanischer Geschichte. Gerda Lerner verfasste außerdem zahlreiche Bücher, unter anderem 2002 ihre vielbeachtete Autobiographie „Fireweed“.

Quellen

Weiterführende Literatur

  • Gordon, Linda (2014): Gerda Lerner: Leftist and Feminist. In: Journal of Women’s History. Vol. 26(1). S. 31–36.
  • Lerner, Gerda (2009): Feuerkraut. Eine politische Autobiographie. Wien: Czernin.
  • Lerner, Gerda (1998): Die Entstehung des feministischen Bewusstseins: vom Mittelalter bis zur ersten Frauenbewegung. München: dtv.
  • Lerner, Gerda (1997): Die Entstehung des Patriarchats. München: Campus.
  • Lerner, Gerda (1984): Eine feministische Theorie der Historie. In: Wiener Historikerinnen (Hg.): Die ungeschriebene Geschichte. Historische Frauenforschung. Wien: Wiener Frauenverlag, S. 404-411.