Öffentliche Sphäre – Private Sphäre

Eine zentrale Grundlage geschlechtsspezifischer Ungleichheit in der Demokratie bildet die Idee getrennter gesellschaftlicher Bereiche: einerseits die Sphäre des vermeintlich unpolitischen Privaten, Familialen und andererseits die Sphäre der politischen Öffentlichkeit, der Bedeutsamkeit und Entscheidungsmacht zugeschrieben werden. Seit der zweiten Frauenbewegung haben Wissenschafterinnen aufgezeigt, dass diese Trennung sowohl Ausdruck als auch Ursache vielfältiger Formen geschlechtsspezifischer Ungleichheit ist – worauf auch der Kampfruf „das Private ist Politisch“ hinweist. Sowohl Politik als auch Ökonomie und Recht bauen auf diesem Verständnis geteilter Sphären auf, wobei das „Private“ den Bereich unbezahlter Reproduktionsarbeit bildet – die nach wie vor mehrheitlich von Frauen verrichtet wird (siehe auch Frauen am Arbeitsmarkt). Zugleich bleibt dieser Bereich ein blinder Fleck politischer und ökonomischer Theorie, womit die geschlechtsspezifische Hierarchie weiter reproduziert wird (vgl. Michalitsch 2002; für Überblick bezüglich Politik, Recht und Staatlichkeit siehe Ludwig/Sauer/Wöhl 2009).

Zugleich ist das „Private“ – als von staatlichem Eingriff geschützter Bereich konstruiert – mit ein Grund, wieso Gewalt gegen Frauen und generell häusliche Gewalt lange Zeit politisch und rechtlich unbeachtet blieb (siehe auch Gewalt gegen Frauen). Geschlechtersensible Forschung hat vielfach aufgezeigt, dass durch die Idee getrennter Sphären im modernen Staat patriarchale Verhältnisse reproduziert werden: Der traditionell eher Männern zugeschriebene Bereich der Öffentlichkeit wird als wichtiger bewertet, nur Lohnarbeit gilt als volkswirtschaftlich relevant – das Private, Fürsorge- und Hausarbeit hingegen werden politisch, rechtlich und ökonomisch nicht beachtet (vgl. Lang 2004: 72f).

Die Politologin Nancy Fraser sieht zwischen dieser Trennung von „öffentlicher“ und „privater“ Sphäre und dem Widerspiegeln spezifisch weiblicher und spezifisch männlicher Interessen im politischen System einen direkten Zusammenhang: Sachpolitische Anliegen und Interessen werden in der Demokratie einem der beiden Zuständigkeitsbereiche zugewiesen: Sie werden entweder mit der „öffentlichen“ oder der „privaten“ Sphäre in Verbindung gesetzt. Anliegen von Frauen laufen eher Gefahr, als „Privatsache“ aus der politischen Verantwortung herauszufallen, ein Beispiel dafür ist die Frage der Kinderbetreuung (vgl. Fraser 2003). Von Seiten der Frauenbewegung wird deshalb seit Jahrzehnten in den politischen Diskurs eingebracht, dass (auch) das vermeintlich Private politisch ist. Gleichzeitig wird im Rahmen aktueller Geschlechtergeschichtsforschung festgehalten, dass „öffentlich“ vs. „privat“ nicht einfach mit „männlich“ vs. „weiblich“ gleichgesetzt werden kann. Wie Claudia Opitz-Belakhal festhält, hatten Männer „(…) zu allen Zeiten (wenn auch in klar umschriebenen Grenzen) Zugang zum Privaten, Frauen aber nicht unbedingt zur (politischen) Öffentlichkeit. Zudem funktioniert(e) das Private als Komplement des Öffentlichen und bestimmte und bedingte damit männliche Identität und Handlungsmöglichkeiten ebenso mit wie die Entscheidungen der Akteure im öffentlichen Raum die Lebensbedingungen im ‚Privaten’ maßgeblich beeinflussten“ (Opitz-Belakhal 2010: 104).

Öffentlichkeit und Privatheit sind natürlich weder fixe noch einheitliche Konstrukte, sondern bilden sich in bestimmten historischen und gesellschaftlichen Kontexten jeweils spezifisch aus (ebd.: 77f) (siehe auch Geschlechterverhältnisse im internationalen Vergleich). Dadurch ergeben sich Veränderungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Eine zentrale Forderung feministischer und gleichberechtigungsorientierter Politikwissenschaft ist daher auch ein „weiter Politikbegriff“: Im Gegensatz zu einem „engen“, nur auf „klassische“ politische Institutionen und Prozesse (Regierung, Wahlen, Öffentlichkeit, …) fokussierenden, werden auch die Gesellschaft, informelle Handlungsebenen sowie Akteur*innen und private Verhältnisse als politisch gefasst und damit für die Forschung fassbar gemacht (vgl. Kreisky in Rosenberger/Sauer 2004: 42).

Feministische und machtkritische Forschung und Debatten sind jedenfalls essentiell, um dem Demokratien inhärenten Anspruch der Gleichberechtigung näher zu kommen. Mittlerweile wird zum Beispiel auch die im Privaten geleistete Fürsorge-, Pflege- und Hausarbeit zu messen versucht und politisch thematisiert, was eine wichtige Grundlage im Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit darstellt.

Wie wir Veränderung bewirken können

Im Langzeitvergleich ist festzustellen, dass die Geschlechterdemokratisierung in der Politik nur langsam (und immer wieder mit Rückschritten) voranschreitet. Zentrale Maßnahmen in Richtung einer gleichen Teilhabe beider Geschlechter im demokratischen politischen System sind beispielsweise parteiinterne Frauenquoten. Die Strategie des Gender Mainstreaming sieht eine Überprüfung staatlichen Handelns auf allen Ebenen und in allen Bereichen im Hinblick auf geschlechtsspezifische Auswirkungen vor. Eine eigene wichtige Form davon ist Gender Budgeting, bei dem diese Maßnahme auf Budgets angewendet wird. Dadurch soll rechtzeitig erkannt werden, wenn zum Beispiel eine Steuerreform Frauen benachteiligende Auswirkungen hat – etwa weil Besserverdienende oder Vollzeitbeschäftigte dadurch mehr profitieren. Auch wenn viele Fortschritte in der Geschlechtergleichstellung erzielt wurden, besteht nach wie vor großer Handlungsbedarf. Gerade die gegenwärtigen Krisen und die Strategien der Krisenbewältigung zeigen deutlich, wie prekär und ungesichert diese Fortschritte noch sind. Es scheint insbesondere wichtig, jungen Menschen – Frauen und Männern, Buben und Mädchen – ein Bewusstsein für die Wirkmächtigkeit von Geschlechtervorstellungen und -rollen und den historisch damit verbundenen Machtverhältnissen zu vermitteln.

Quellen

  • Fraser, Nancy (2014): Krise, Kritik und Kapitalismus. Ein Leitfaden für das 21. Jahrhundert. In: Transit. Europäische Revue. Institut für die Wissenschaft vom Menschen. Wien/Frankfurt aM.
  • Fraser, Nancy (2003): Widerspenstige Praktiken. Macht, Diskurs, Geschlecht. Frankfurt.
  • Hoecker, Beate (2013): Frauen und das institutionelle Europa. Politische Partizipation und Repräsentation im Geschlechtervergleich. Wiesbaden: Springer Verlag.
  • Lang, Sabine (2004): Politik – Öffentlichkeit – Privatheit. In: Rosenberger, Sieglinde K./Sauer, Birgit (2004) (Hg.): Politikwissenschaft und Geschlecht. Konzepte – Verknüpfungen – Perspektiven. Wien: UTB.
  • Ludwig, Gundula/Sauer, Birgit/Wöhl, Stefanie (Hg.) (2009): Staat und Geschlecht. Grundlagen und aktuelle Herausforderungen feministischer Staatstheorie. Baden-Baden: Nomos.
  • Michalitsch, Gabriele (2002): Engendering Economics. Grundlagen feministischer Ökonomie. In: Kurswechsel Zeitschrift für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen, 1/2002. Wien: Sonderzahl.
  • Opitz-Belakhal, Claudia (2010): Geschlechtergeschichte. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
  • Rosenberger, Sieglinde K./Sauer, Birgit (2004) (Hg.): Politikwissenschaft und Geschlecht. Konzepte – Verknüpfungen – Perspektiven. Wien
  • Schmidt, Manfred G. (2010): Demokratietheorien. Eine Einführung. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung Bd. 1059. Bonn.