Wer kann teilnehmen & Wer nimmt tatsächlich teil?

Eine große theoretische Stärke des LA 21-Formats liegt in der Offenheit gegenüber allen Anwohner*innen, die unabhängig von Alter und Nationalität eingeladen sind, in den Agendagruppen und Projekten aktiv zu werden und an Veranstaltungen teilzunehmen. Tatsächlich leidet die LA 21 allerdings unter dem gleichen Problem wie viele andere Formen freiwilligen bürgerlichen Engagements: der „Selbstselektion“ der Teilnehmer*innen und daraus resultierenden sogenannten „Beteiligungslücken“. Dies bedeutet, dass höher gebildete Personen der urbanen Mittelklasse in Organisation und Teilnahme freiwilliger Initiativen deutlich überrepräsentiert sind, während Personen aus sozioökonomisch schwächer gestellten Gruppierungen wie etwa Menschen mit geringer formaler Bildung, alleinerziehende Frauen und manche Migrant*innengruppen unterrepräsentiert bleiben (Klatt 2013). Gesellschaftliche Schieflagen der Teilhabe laufen also Gefahr, nicht aufgefangen, sondern reproduziert zu werden.

Auch in Bezug auf die LA 21 Wien ist das geschilderte Phänomen bereits mehrfach festgestellt worden (Krucsay/Diebäcker 2004; Emrich 2013: 55f.) und wird auch von der Geschäftsführerin Andrea Binder-Zehetner bestätigt. Der oft angeführte Anspruch partizipativer Entscheidungs- und Gestaltungsstrukturen, als demokratisches Korrektiv zu repräsentativen Institutionen zu wirken, wird durch eine solche Beteiligungsschieflage massiv untergraben. Allerdings ist sich die LA 21 dieser Problemlage durchaus bewusst und versucht aktiv gegenzusteuern. So setzt die LA 21 Wien, v.a. über die Bezirksbüros, möglichst niedrigschwellige „Aktivierungmaßnahmen“, um dem geschilderten Trend entgegenzuwirken. Laut Binder-Zehetner werden zunehmend öffentliche Plätze, aber auch öffentliche Institutionen wie bspw. Schulen oder Altenheime besucht und für niedrigschwellige Informations- und Aktivierungsangebote wie etwa Park-Picknicks, „Frühstück am Gehsteig“ u.Ä. genutzt.

Beispielsweise unternahm das Bezirksbüro der 2017 gestarteten Agenda Währing eine Vielzahl von Anstrengungen, um im Bezirk möglichst breit zu mobilisieren. So wurde ein Auftaktfest mitsamt „Pop-up-Werk-Stadt“ (eine attraktiv gestaltete Bezirks-Ideenschmiede mitsamt anschaulichem Magnet-Bezirksplan) veranstaltet. Die „Pop-up-Werk-Stadt“ tourte anschließend einige Wochen durch den Bezirk. Später wurden die Anwohner*innen über eine Vielzahl von Kanälen zu einer Projektschmiede für mögliche Agendagruppen eingeladen, aber auch eine Online-Ideenplattform eingerichtet (Lokale Agenda 21 Währing 2017). Ein sozialarbeiterischer Ansatz, der eventuell effektiver marginalisierte Bezirksgruppen integrieren könnte, ist allerdings im aktuellen Budget und Betreuungskonzept kaum möglich (Emrich 2013).